Monatsrückblick Mai 2020: Der Ölmarkt sucht nach Normalität

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Nach mehreren Wochen voller negativer Rekorde konnte der Ölmarkt im Mai aufatmen. Pandemie-Lockerungen und Förderkürzungen zeigten Wirkung, die Ölnachfrage drehte wieder nach oben. Doch das nächste Problem nimmt bereits Konturen an: Es droht eine Neuauflage des Handelskonflikts.

Im Überblick: das Öljahr 2020

  • Januar: Handelsstreit, Spannungen im Nahen Osten und Virusangst sorgen für Ausnahmezustand
  • Februar: Covid-19 breitet sich auf der Welt aus, OPEC+ ringt um Kürzungen
  • März: Covid-Pandemie und Preiskrieg schicken Schockwellen durch den Markt
  • April: Pandemie sorgt für negative Ölpreise und Rekordkürzungen

 

Kompakt informiert: die wichtigsten Entwicklungen im Mai 2020

  • Ölnachfrage in wichtigen Abnehmerländern steigt wieder
  • OPEC+ zieht am gleichen Strang bei Förderkürzungen
  • Neuer Handelsstreit zwischen USA und China?

Die Heizölpreisentwicklung im Mai 2020 im Überblick // Alle Angaben ohne Gewähr // © TOTAL

Alle Angaben ohne Gewähr

Die Preisentwicklung bei Brent und Gasoil macht es deutlich: Nach einem katastrophalen April drehte die Stimmung an den Märkten im Mai eindeutig ins Plus. Doch die flachen Kurven (gerade bei Gasoil) zeigen auch, dass die Händler in der aktuellen Lage keine voreiligen Schlüsse ziehen wollen.

Dazu haben sie auch allen Grund:

Die Rekordkürzungen der OPEC+-Gruppe sind in Kraft und werden in ungewohnter Harmonie von allen wichtigen Beteiligten getragen. Doch diese Kürzungen von 10 Mio. B/T nehmen nur ein Überangebot vom Markt, das die Produzenten im Zuge des Preiskriegs selbst voreilig auf den Markt geworfen hatten.

Mit jeder neuen Lockerung von Pandemiemaßnahmen nimmt die Ölnachfrage sichtbar zu. In China und Indien steht die Industrie wieder unter Volldampf, der Ölverbrauch liegt fast auf dem Vorjahresniveau. In den USA und in Europa ist man von einer solchen Erholung jedoch weit entfernt – trotz positiver Signale.

Über allem schwebt die Angst vor einer zweiten Infektionswelle, die den gesamten Globus erneut zu einem Lockdown zwingen und alle gerade gemachten Fortschritte zunichtemachen könnte.

Selbst wenn diese Welle ausbleibt, muss sich der Ölmarkt allerdings einem anderen, bereits sehr handfesten Problem stellen:

China und die USA liegen erneut im Streit. Dieses Mal geht es um die Sonderverwaltungszone Hongkong. Schon jetzt sind neue Sanktionen installiert, neue Handelsbeschränkungen liegen in der Luft. Alle Beteiligten wissen, welche Auswirkungen ein neuer Handelskrieg mit Zöllen und Gegenzöllen auf die sowieso geschwächte Weltwirtschaft haben dürfte.

Unterm Strich ist der Ölmarkt momentan in jeder Hinsicht unsicher, desillusioniert und kennt keine klare Richtung. Das hat zumindest einen positiven Effekt: Der Heizölpreis lag im Mai auf einem konstant kundenfreundlichen Niveau.

 

OPEC+-Kürzungen: klarer Fokus auf ein gemeinsames Ziel

Eine globale Katastrophe hat geschafft, was jahrelange Verhandlungen nicht erreicht haben: Die OPEC+-Gruppe verfolgt ein gemeinsames Ziel. Dieses Ziel heißt Marktstabilisierung – und Korrektur der eigenen Fehler.

Nachdem Saudi-Arabien und Russland im März einen Preiskrieg angezettelt und die Ölpreise auf steile Talfahrt geschickt hatten, wurde der Markt förmlich mit OPEC-Öl geflutet – aus Angst vor dem Verlust von Marktanteilen. Doch für dieses Öl gab es keine Abnehmer mehr, die Pandemie hatte längst Fahrt aufgenommen.

Die Rekordkürzungen von 10 Mio. B/T waren also eine zwingend notwendige Rolle rückwärts, die vom Ölmarkt entsprechend verhalten analysiert wurde. Trotz allem hatte die Maßnahme Wirkung auf die Ölpreisentwicklung – was sich hauptsächlich psychologisch erklären lässt.

Viel wichtiger war, dass diese Kürzungen nicht nur von allen Mitgliedern getragen werden, sondern auch Nachahmer in Ländern wie Norwegen oder Brasilien fanden. Als Stimmen aufkamen, die längere und höhere Kürzungen in Aussicht stellten, signalisierte selbst Russland Bereitschaft – obwohl der zweitgrößte Produzent der Welt sonst ein Garant für Widerspruch zu Kürzungsvorhaben ist. Auch in den USA sank die Rohölproduktion, wenn auch eher aus wirtschaftlichem Zwang als aus absichtsvoller Beschränkung.

Derzeit sollen die bestehenden Kürzungen der OPEC+-Gruppe zumindest beibehalten werden, über weitere Maßnahmen will man beim Treffen im Juni beraten. Saudi-Arabien und Russland haben ihre Kooperationsbereitschaft bekräftigt. Doch Russland hat bereits deutlich gemacht, dass es sich bis zum Treffen nicht mehr öffentlich dazu äußern wird. Das ist ein kluger Schritt, wenn man bedenkt, welche Auswirkungen jede Meldung aus dem OPEC+-Lager schon in normalen Zeiten auf die Ölpreisentwicklung hat.

Es bleibt abzuwarten, wie die beteiligten Länder die Angebots-Nachfrage-Situation in den kommenden Wochen und Monaten bewerten. Bereits bei einer leichten Aufhellung dürften erste Länder ihre Produktion wieder hochfahren, um keine wertvollen Marktanteile zu verlieren.

Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage wird in diesem Jahr daher wieder eine der wichtigsten Stellschrauben bei den Ölpreisen bleiben – immer entlang der weiteren Entwicklung der Pandemie.

 

China und USA: Handelskrieg 2.0?

Wer gedacht hatte, dass das Thema Handelsstreit nach der Einigung zum Jahresanfang nun endgültig vom Tisch ist, wurde im Mai eines Besseren belehrt. Trump bezeichnete China als Schuldigen am Ausbruch und an der Ausbreitung des Covid-Virus und drohte mit Konsequenzen.

Viel wichtiger war jedoch, dass China die Pandemie genutzt hat, um den Sonderstatus Hongkongs über ein Sicherheitsgesetz faktisch aufzuheben.

Seit der Rückgabe an China im Jahr 1997 hatte Hongkong stets eine Sonderposition im Land, die mit wesentlich mehr Freiheiten – auch beim Handel – einhergeht. Zahlreiche internationale Unternehmen haben hier ihren chinesischen Standort, Hongkongs Handelsvolumen betrug zuletzt allein mit den USA rund 67 Milliarden US-Dollar. Dementsprechend groß ist das Interesse in Washington, Hongkong als Sonderverwaltungszone weiterhin zu bestätigen. Bisher erfolgte diese Bestätigung einmal jährlich, doch Chinas Sicherheitsgesetz macht dies praktisch unmöglich. Denn China warnte die USA davor, sich in die Angelegenheit nationaler Sicherheit einzumischen.

Die USA haben dennoch sofort protestiert und ihrerseits mit Konsequenzen gedroht, sollte der Sonderstatus Hongkongs aufgehoben werden. Erste Konsequenzen gibt es bereits: Bei einer Pressekonferenz zum Monatsende verhängte Trump Einreiseverbote und Sanktionen für bestimmte Personenkreise aus China. Das Wort Strafzölle fiel bisher offiziell nicht. Allerdings ist jedem Marktbeobachter klar, dass Handelsbeschränkungen auf lange Sicht das Mittel der Wahl sein werden, sollten sich China und die USA nicht diplomatisch einigen.

Betrachtet man die derzeitige Situation, ist eine solche Einigung jedoch immer unwahrscheinlicher. Und damit droht der nächste Preiseinbruch bei den Ölnotierungen.

 

Die Ölnachfrage steigt wieder – doch wohin und wie lange?

Ging es mit der Ölnachfrage im April konsequent nach unten, drehte sich die Stimmung im Mai sichtbar. Jede Lockerung einer Pandemiemaßnahme schlug sich sofort in den Verbrauchszahlen von Rohöl nieder. Allerdings zeigte sich auch, wie geteilt die Welt derzeit ist.

In China hat sich die Ölnachfrage wieder auf Vorjahresniveau eingepegelt. Ähnlich ist es auch in Indien. In den westlichen Staaten, wo die Pandemie zeitversetzt ausbrach, ist diese Entwicklung noch nicht zu beobachten. Dort geht es auch weniger um den Rohölverbrauch der Industrie als um die Nachfrage nach Treibstoffen wie Benzin. Diese bleibt insbesondere in den USA noch weit hinter den Vorjahrswerten zurück. Doch auch hier gibt es eine vorsichtige Aufhellung.

Während sich die Länder einer (neuen) Normalität nähern, werden die mahnenden Stimmen zu einer zweiten weltweiten Infektionswelle jedoch nicht leiser. Einzelne News zu eiligst wieder geschlossenen Schulen oder Masseninfektionen nach einer Versammlung oder Feier machen immer wieder deutlich, dass das Virus nicht auf dem Rückzug, sondern vorerst nur unter Kontrolle ist.

Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass Öffnungen zurückgenommen werden müssen und die Nachfrage wieder drastisch sinkt, derzeit genauso hoch wie die Möglichkeit, dass es nicht passiert.

Das ist eine der entscheidenden Erklärungen dafür, warum sich die Rohölpreise im Mai derart horizontal bewegt haben: Jede Investitionsentscheidung am Ölmarkt reagiert vorsichtig auf negative und positive Ereignisse. Die Vorsicht schlägt sich in ausnehmend geringen Preisspannen nieder – und in überraschend drastischen Schritten.

China hat erstmals seit den Neunzigern alle Konjunkturprognosen für das laufende Jahr zurückgenommen und wird auch keine neuen Zahlen veröffentlichen. Das lässt sich nicht nur als pessimistische Grundeinstellung interpretieren, sondern spiegelt auch klar, dass niemand weiß, was das kommende Jahr noch bringen wird.

 

Was im Juni 2020 wichtig bleibt

Auch wenn das Treffen der OPEC+-Gruppe im Juni ein wichtiges Ereignis ist, ist es nicht gesagt, dass es genauso hohe Wellen schlagen wird, wie es eine OPEC-Konferenz sonst tut. Werden die derzeitigen Kürzungen beibehalten, ist dies bereits in die Investitionsentscheidungen des Ölmarkts einkalkuliert. Nur bei drastisch höheren Kürzungen sind klare Preisausschläge nach oben zu erwarten. Eine Rücknahme der Kürzungen ist vorerst unwahrscheinlich, wäre es doch in der derzeitigen Lage eine vollkommen irrationale und unwirtschaftliche Entscheidung.

Wie bereits mehrfach anklang, gibt die weitere Entwicklung der Pandemie auch im Juni den Takt an den Ölmärkten und bei den Rohölpreisen vor. Es gibt derzeit keine Möglichkeit, hier verlässliche Prognosen abzugeben – weshalb wir Sie lieber tagesaktuell informieren.

Nutzen Sie wie immer unsere Heizölnews, um den optimalen Zeitpunkt zum Auffüllen Ihres Heizöltanks zu analysieren. Fakten schafft auch ein Blick auf unsere Heizölpreisseite.

 

Bleiben Sie gesund und sicher.